Literatur ist eine Form menschlichen Kommunikationsverhaltens. Ein wissenschaftlicher Zugang zum Gegenstandsbereich Literatur hat deshalb Instrumente zu verwenden und zu entwickeln, die neben dem Formaspekt von Literatur auch die biologischen und gesell-schaftlichen Bedingungen von ›literarischem Verhalten‹ aufzuhellen vermögen. Daß Literaturwissenschaft solchermaßen stets ›unselbständig‹ und auf trans- und interdiszipli-näres Arbeiten angewiesen ist, nehmen die Beiträger dieses Sammelbandes als Chance wahr und erarbeiten Wege einer multiperspektivisch informierten Literaturbetrachtung. Die Sorge um die Autonomie des Faches verliert ihre Gründe, wenn sein besonderer Wert als Stätte interdiskursiver Verständigung genutzt und ein heuristischer Apparat entwickelt wird, der der Vielgesichtigkeit des Gegenstandes Rechnung tragen kann. Der Band versammelt Beiträge unterschiedlicher disziplinärer Provenienz. Darunter gesellschafts- und wissensgeschichtliche Studien zu literarischen Werken sowie bio- und psychologische, kognitions- und gesellschaftswissenschaftliche Modellbildungen zu einzelnen Aspekten literarischer Produktion und Rezeption. Mit Beiträgen von Julia Abel, Philip Ajouri, William Benzon, Joseph Carroll, Leda Cosmides, Lutz Danneberg, Oliver Flade, Charles Forceville, Harald Fricke, Hans-Edwin Friedrich, Jonathan Gottschall, Norbert Groeben, Paul Hekkert, Nadine van Holt, Fotis Jannidis, Uta Klein, Katja Mellmann, Steffanie Metzger, Armin Nassehi, Michael Neumann, Christoph Rauen, Michelle Scalise Sugiyama, Ralf Stürmer, Ed Tan, John Tooby, Reuven Tsur, Eckart Voland, Friedrich Vollhardt, Gerhard Vowinckel, Manfred Weinberg, Marianne Willems und Rüdiger Zymner.
Nachdem in der Spee-Forschung bisher der Motivbestand, die literarhistorischen Traditionslinien sowie die Beziehungen zwischen Spees Engagement gegen die Hexenprozesse und seinem literarischen Werk untersucht worden sind, wird hier versucht, anhand der Kategorie ‚Allegorie‘ ins Zentrum der Poetologie Spees vorzustoßen. Es wird gefragt, wie die analysierten Texte der “Trutznachtigall” und des “Güldenen Tugendbuchs” auf die Krise des allegorischen Weltbildes im Zeichen von geschichtlicher Kontingenzerfahrung und Konfessionalismus reagieren. Wie schlägt sich dies auf die Signifikationsstrukturen der Texte nieder, die immer auch die Weltsicht des Adressaten strukturieren sollen? Was für ein Bild ergibt sich vor dem Hintergrund der poetologischen Entwicklungen zum Thema Allegorie im 17. Jahrhundert? Aus dieser Perspektive wird auch ein Blick auf die Aktualität der Allegorie-Theorie in der gegenwärtigen literaturtheoretischen Diskussion geworfen.
Literatur hat seit jeher die Rolle gehabt, den Blick für das ausgesparte ‚Dritte‘ offenzuhalten. Sie besteht auf der Unverwechselbarkeit individueller Erfahrung und trägt zur Entwicklung alternativer Denk- und Wahrnehmungsmodelle gegen eine weitgehend normierte Normalität in der heutigen Wissensgesellschaft bei. “Das Ungenügen an der Normalität” ist der Titel einer wegweisenden wissenschaftlichen Publikation von Lothar Pikulik. Ein internationales Symposion aus Anlaß seines 65. Geburtstages griff diesen Titel auf und erörterte unter dem Thema “ ‚Das Ungenügen an der Normalität‘ – Literatur als Gegenwelt” die Möglichkeiten einer erneuerten Standortbestimmung von Aufgaben und Möglichkeiten der Literatur. Dieser Band zeigt eindrucksvoll, wie facettenreich das “Ungenügen an der Normalität” in der Literatur von der Aufklärung bis in die jüngste Vergangenheit auftritt. Mit Beiträgen von: H. Koopmann, R. M. Kully, H. Kurzenberger, Z. Mielczarek, N. Oellers, P. Pütz, H. Reinhardt, M. Siguan, H. Uerlings.