„Was soll schon diese Demonstration ändern?“ war die skeptische Frage, auf die der inhaftierte Oppositionelle Alexei Nawalny am 5. März 2022 auf Telegram gegenüber seinen russischen Mitbürgern einging und damit zum Protest gegen den Ukraine-Krieg aufrief: „Diese Demonstration ändert uns. Diese Demonstration ändert das, was Ihr Euren Kindern und Eltern sagt, wenn Sie Euch nach dieser schrecklichen Zeit fragen. Wir müssen um unserer selbst willen auf die Straße gehen.“ Damit ist in eindrücklicher Weise die Frage aufgeworfen, ob man nur anderen wie Kindern und Enkeln verpflichtet sein kann oder auch gegenüber sich selbst. Diese Frage stellt sich nicht nur im Krieg, sondern auch in anderen existentiellen Situationen. Ihr soll das folgende Buch nachgehen.
Sich selbst verpflichtet zu sein setzt dabei ein Bewusstsein davon voraus, dass es Fragen gibt, die man mit sich selbst auszumachen hat. Da dies in gleicher Weise für andere gilt, spricht viel dafür, ein Buch nicht mit allzu viel Persönlichem zu beginnen. Über den Hintergrund dieser Arbeit sei daher nur wenig gesagt: Sie ist über mehr als eine Dekade entstanden, hat dabei lange Zeiten geruht und mich dann doch immer wieder beschäftigt. Konstant blieb die Überzeugung, dass es ethische Gründe gibt, sich selbst ernst zu nehmen. Am Ende lag die Arbeit einem Promotionsverfahren an der Universität Göttingen zugrunde. Damit ist sie auch eine Erinnerung an eine Studien- und Assistentenzeit, bei der es angesichts ihrer zeitlichen sowie örtlichen Abgeschiedenheit und vielfachen Prägungen zahlreiche Anlässe gibt, sie im Nachhinein zu verklären.
Anders ist dies beim Dank gegenüber denjenigen, welche diese Arbeit begleitet und ermöglicht haben – denn dieser Dank ist real. Das gilt als erstes für Dietmar von der Pfordten, dessen Großzügigkeit sich nicht zuletzt daran zeigte, einige ihrer Thesen abgelehnt und ihre Formulierung gleichwohl gefördert zu haben, sodann für Holmer Steinfath als Zweitgutachter und Bernd Ludwig als Mitprüfer. Swantje La Moutte danke ich für ihr Einverständnis, die Skulptur „Window I“ auf dem Einband abzubilden. Die dort zu sehende, an die Wand gehängte Malerpalette erinnert an Fragen der Selbstgestaltung und Selbstaufgabe.
Viele haben durch Kritik, Hinweise und Diskussion zum Buch beigetragen, darunter Iasone Gutiérrez-Cañas Pazos, Antje Kautz, Gesa Laarmann, Jörn Linderkamp, Marion Schmincke-Koch und Alexander Schröder. Ihnen allen sei nicht zuletzt deshalb herzlich gedankt, weil es bei ihnen immer auch eigene Projekte und Gedanken gab, die deshalb zurückstehen mussten.
Lorenz Kähler Bremen, März 2022